Tourenberichte
2010 - Höhepunkt Matterhorn-Cross
Eine Biketour der Superlative. Annähernd sämtliche 4000er des gesamten Alpenbogens können von unseren Singletrails aus entdeckt und erblickt werden.
Mein Freund und Mountainbikeguide Lukas Stöckli hat diese Tour erkundet und organisiert. „By Stöckli” garantiert Mountainbiken auf höchstem Niveau und Singletrailanteil von 50% Minimum.
Wir folgen teilweise der gleichnamigen Wanderroute. Mit reichlich Bammel reise ich ins Wallis, wohl ahnend was es bedeutet mit einer Gruppe handverlesener Schweizer Biker auf Tour zu gehen. Zum Aklimatisieren nehme ich im Turtmanntal 2 Tage Quartier in der Berghütte Waldesruh in Gruben.
1. Tag:
Morgen Abend ist Treff in Herbriggen, im Nachbartal. Um dort hin zu gelangen, kann ich entweder die Straße außenrum, oder den Wanderweg über den Augstbordpass nehmen. Aber keiner weiß, ob das mit dem Mountainbike machbar ist. 10 Uhr hat es aufgehört zu regnen und mittags starte ich um den Weg zu erkunden. Ich treffe Wanderer aus aller Herren Länder und 16:30 Uhr stehe ich auf dem Augstbordpass, 2894 m hoch – für den ersten Tag ganz schön dünne Luft. Dafür genieße ich dann den Singeltrail steil bergab zurück nach Gruben.
21 km / 1300 hm
2. Tag:
Heute wage ich die Überquerung des Augstbordpass nach St. Niklas und Herbriggen. Oben treffe ich „Epo”, einen Collie mit Tragetaschen in denen er sein Futter und seinen Fressnapf selbst tragen muss. Er wandert mit seinem Herrchen – einem Spanier – seit 3 Wochen über die Alpen. Ich verpasse meine Flasche zu füllen. Blöd für den folgenden Quergang, 2 Stunden das Bike über grobe Felsbrocken schleppen, oder am senkrechten Abhang entlang balancieren und kein Tropfen Wasser. Als Lohn folgt eine gewaltige Singletrailabfahrt an der Alm Jungu vorbei, auf schmalen Bändern durch den senkrechten Fels tief hinab nach St. Niklas. In Herbriggen laden meine Schweizer Bikerkollegen ihre Edelbikes und riesige Taschen aus, während ich in der Ecke sitze und mit 2-Komponentenkleber meine vom Fels lädierten Bikeschuhspitzen flicke.
34 km / 1400 hm
3. Tag:
„Wir rollen uns ein” auf den Suonentrails, deren Kanäle sprudelnd klares Wasser in die Südhänge leiten. Durch sonnengebrannte Walliser Dörfer mit ihren urtümlichen Stadeln (Scheunen) – Zeugen jahrhundertealter Bergbauernkultur. Die Täler liegen uns sprichwörtlich zu Füßen. Als Krönung blicken wir immer wieder auf eine mächtige Gletscherpyramide – das Weisshorn 4505 m – und jetzt sind wir bereits mitten drin im Abenteuer Matterhorn-Cross.
78 km / 3300 hm
4. Tag:
Wir starten früh im Turtmanntal. Unser Trail zum Meidpass 2790 m will erkämpft sein, dafür oben ein grandioser Blick aufs Weisshorn, in der Ferne grüßt der Mt. Blanc 4807 m. Belohnt wird der Übergang mit einem Höhentrail der Extraklasse. Kilometerlanger Flow, abschnittsweise bis ans Limit gefordert, werden wir erst von der Gletscherwand des Zinalrothorns gestoppt. Die superbe Abfahrt bringt uns nach Zinal zu Rocco und Ingrid – einer gebürtigen Oderwitzerin, sie ist vor 50 Jahren in die Schweiz geflohen. Die beiden erwarten uns am Begleitfahrzeug mit leckerem Mittagessen. Danach folgt der lange Schlussanstieg, erst über den Skihang, später das Bike geschultert zur Cabana des Becs de Bosson 2995 m – unser Nachtquartier. Kaum fassbares Panorama – Zinalrothorn 4221 m, Oberes Gabelhorn 4063 m, Dent Blanche 4352 m, Dent d' Hérens 4171 m, Mt. Blanc und natürlich Weisshorn mit Bishorn – einfach ganz großes Kino.
58 km / 3000 hm
5. Tag:
Der Mond steht noch am Himmel, im Kamin der Hütte prasselt das Feuer, der Morgen dämmert langsam über den Eisgipfeln – wir starten. Eine ausgesetzte Traverse, weiter über felsige Grate, dann steil in engen Kehren den Singletrail hinab. Und das im Angesicht dieser Bergriesen – einfach unvergesslich. Von Evolene leiten uns unzählige Abfahrts- und Höhentrails fast zwei Kilometer über dem Talboden in Richtung Unterwallis. Mit der Kamera gerüstet und in roter Regenjacke treffe ich hautnah auf Erdinger Kampfkühe – Akteure der gerühmten Walliser Kuhkämpfe ... hätte ich das vorher gewusst, gäbe es wohl dieses Bild nicht. Unsere Übernachtung im Chez Simon hat Erlebnischarakter, wir schlafen in einer Art Taubenhaus.
85 km / 3300 hm
6. Tag:
Der Hahn kräht, ich starte mit den Ersten und habe so etwas mehr Zeit den Singletraildownhill zu genießen. Hier unten in Lourtier treffen sich die Bergbauern mit den vollen Milchkannen an der Dorfkäserei – hm, das Weiterfahren fällt schwer. Heute ist fast ein „Ruhetag” – mit nur einem Pass – hat Lukas versprochen. Der jetzt folgende lange + schwere Anstieg bringt uns hinein in eine wilde Hochgebirgslandschaft. Das Gelände ist von Gletschern geprägt. Die Vegetation wird immer spärlicher, die steilen Felsen am Fuße des Grand Combin 4314 m wirken rau. Er ist der westlichste 4000er der Schweiz. Die letzten 500 Singletrail-Höhenmeter, hinüber ins Aostatal haben es in sich: Gleichgewicht ausbalancieren, Absätze hoch drücken und dabei immer auf genügend Traktion achten... da spüren wir jede Faser unserer Muskeln. Am Col Venetie de Durant 2794 m - Grenze zu Italien haben wir 4° C und Regen. Die folgende 2300 hm Abfahrt über glitschigen Fels-Singletrail – ohne Kommentar. Die Befahrung des 700 m langen Suonentunnels mit Stirnlampe ist ein Höhepunkt. Genau in Lenkerbreite, rechts rauscht das Wasser und links der raue Fels. Vor ca. 1000 Jahren wurde dieser Tunnel von den alten Wallisern zur Bewässerung durch den Fels getrieben – mit exaktem Gefälle – Respekt!
85 km / nur 2300 hm
7. Tag:
Schon bald nach dem Start aus dem Aostatal mit seinen Rebhängen, türmt sich das majestätische Matterhorn 4478 m vor uns auf. Diese gigantische Felspyramide weist uns den Weg ins Wallis zurück. Es ist kaum zu glauben, dass es hier einen fahrbaren Übergang gibt. Der muss allerdings erkämpft werden, es ist der längste Anstieg der Alpen. Für uns soll dies jedoch nicht genug sein, wir verschärfen den ganzen Anstieg mit dem Passo Fenétre de Tsignanaz 2445 m und der ausgesetzten Steilabfahrt auf fußbreiten Pfaden nach Breuil Cervinia. Auf der stillgelegten Bergwerksbahntrasse und auf extrem steilen Skipisten gelangen wir bis an den Fuß der übermächtigen Matterhorn-Südwand. Kontinuierlich biken wir durch sämtliche Vegetationszonen bis zum ewigen Eis. Auf der Theodulhütte 3317 m zeigt mein Höhenmesser 4300 hm + 80 km für heute – mein Limit ist erreicht.
80 km / 4300 hm
8. Tag:
Kurz und schlecht geschlafen – 3:30 Uhr aufstehen – dusche mir mit der Klospülung die Füße – so ein Mist – 4:30 Uhr Start zum Höhepunkt dieser Tour! Im Vollmondlicht fahren wir auf dem überfrorenen Gletscher und der Skipiste auf den Gobba di Rollin 3899 m. 6:30 Uhr bei -6° C stehen wir hier oben, umgeben von den höchsten Bergen der Alpen; Breithorn 4165 m – Lyskamm 4527 m – Signalkuppe 4554 m – Dufourspitze 4637 m – Dom 4545 m – Monte Rosa – Mt.Blanc 4807 m – Matterhorn 4478 m. Während sich hier oben bereits der Morgen ankündigt, ist es im Tal noch dunkel. Plötzlich werden die höchsten Bergspitzen von der Sonne erfasst – ein Meer von glühenden Alpengipfeln entsteht. Jetzt heißt es unbedingt fertig machen zur Abfahrt. Hinab über den steilen Gletscher brauchen wir maximalen Grip, bevor die Sonne alles in eine Rutschbahn verwandelt – die Gletscherspalten sind nicht abgesichert – mir geht mächtig der Frack. Später surfen wir mit den Bikes über einst vom Gletscher geschliffenen Fels hinab – grandios. Und es geht noch weiter – schmale Singletrails – hautnah „an der Kante” und dazu ganz, ganz großes Kino bis Zermatt. 2300 hm Abfahrt am Stück – da rast der Puls vor Begeisterung und Angst. Zum Ausklang gleiten wir einen Panorama-Höhentrail entlang bis Täsch. Immer wieder zeigt sich das Matterhorn von seiner Schokoladenseite, das Zinalrothorn und all die anderen ganz großen Berge. Touris zahlen für diesen Anblick eine gute Stange Geld, mit der Fahrt auf den Gornergrat. Und wir dürfen diese ganze Woche in dieser Traum-Landschaft biken – perfektes Wetter – großartiger Teamgeist – mir stehen vor Dankbarkeit Tränen in den Augen. Vor allem erreichen wir alle heil das Ziel.
69 km / 2700 hm
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