Touren­berichte

2012 - Über das Dach Europas ans Mittelmeer

1. Tag:


Treff mit Lukas, unserem Guide, und den Schweizer Bikern in Martigny/Wallis. Wir kurbeln auf alten Karren- und Saumwegen bis auf Augenhöhe mit dem Mt. Blanc, ein spektakulärer Singletrail führt uns hinab ins Tal von Chamonix. Die Gletscherzunge reicht noch bedrohlich nah an die Dächer. Wir sind in den Savoyener Alpen – der höchst gelegenen Region Europas.

45 km / 2200 hm

Mt. Blanc-Revier
Mt. Blanc-Revier

2. Tag:


Bin erkältet und angeschlagen, nehme den ersten Tagesanstieg mit der Seilbahn – leider. Nach dem leckeren Mittagessen + Pause im Tal bei unserem Gourmet-Koch Hermi, der uns zusammen mit Ruth im Wohnmobil begleitet, bin ich etwas gestärkt. Vor uns liegt der härteste Anstieg der ganzen Tour. Ab 2000 m treffen wir wieder auf Schnee-Reste vom Wintereinbruch in den vergangenen Tagen. Das Bike meist geschultert, erklimmen wir den Sattel. Es folgt ein felsiger Quergang, wo Windböen uns aus dem Gleichgewicht bringen. Endlich vor uns, an den Fels geschmiegt, unsere Berghütte „Bon Homme“. Hier auf 2500 m hat es nur noch 2° C und nasse Füße.

58 km / 2000 hm

nasse Füße
Bike-Bergsteigen

3. Tag:


Nichts für Langschläfer – wir starten mit Stirnlampe in den Abfahrtstrail (die Hütte wird per Helikopter versorgt). Schier endlose Singletrails leiten uns auf Almweiden, vorbei an wilden Spitzen über viele kleinere Pässe (mindestens 2200 m hoch), unser Blick geht immer wieder zurück zum Weißen Berg – dem Mt. Blanc. Es folgen 1600 hm Singletrailabfahrt – dies begeistert und fordert zugleich. Nach dem zähen Schlussanstieg haben wir unser 5-Gänge-Menü im Savoyener Spezialitäten Restaurant wirklich verdient.

75 km / 3100 hm

den Mt. Blanc im Nacken
Almweiden

4. Tag:


Über den hässlichen Wintersportort Val Thorens erreichen wir im Schnee auf 3000 m den Pass Col de Monte, unser Übergang in die Grajischen Alpen. Es folgt 2300 hm atemberaubende Singletrailabfahrt, wo sich die Gruppe auseinander zieht. Nur die wahren Könner beherrschen in engen Spitzkehren das Umsetzen des Hinterrades während der Fahrt am Steilhang. Abschließend fahren wir in Richtung Col du Telegraph und Galibier, die „Tour” lässt grüßen.

67 km / 2800 hm

Pass Col de Monte
Spitzkehren

5. Tag:


Schon auf dem Bike, erleben wir einen prächtigen Tagesanbruch und radeln hinein in die wilde und abgeschiedene Gebirgsszenerie der Dauphine. Vorbei am Barre des Éccrins, dem südlichsten 4000er der Alpen. Unser Trail leitet uns durch Täler mit tiefblauen Bergseen und über bunte Blumenwiesen. 10 Stunden biken wir abseits jeder Zivilisation – nur ein Wanderhirte mit seinem Esel und eine Gruppe französischer Gebirgsjäger begegnen uns. Als Kontrast und Tagesabschluss rollen wir durch die Altstadt von Briocon, die von 2 alten Festungen geschützt wird.

60 km / 2200 hm

Dauphine
Dauphine
Dauphine
Dauphine
Gruppenbild

6. Tag:


Den Sonnenaufgang erleben wir bereits im Anstieg zu einer einsamen steppenartigen Hochebene, wo wir auf vergessenen alten Militärtrails mit Panoramablick genussvoll bis Mittag biken. Ein Abfahrstrail mit 40 Spitzkehren führt uns kurz hinab nach Italien. Nach der Fütterung der hungrigen Biker folgen 1600 hm Schottertrail am Stück auf den Chabaton. Diese Felsspitze ist 3121 m hoch und komplett mit dem Bike befahrbar – unglaublich – so wie der Blick auf das Gipfelmeer der Cottischen Alpen, die wir hier erreicht haben. Mussolini ließ hier oben eine Festung errichten, verlor aber den Krieg und den Berg an Frankreich. Noch steiler geht es den felsigen Trail hinten wieder runter. Der Magen knurrt und nach einem letzten Anstieg genießen wir schon bald die hervorragende Piemontesische Bergküche und Gastfreundschaft von Mattia und Fiorenza.

75 km / 3500 hm

Chabaton
Chabaton

7. Tag:


Hier in dieser Region sind nur noch wenige Bauern in den Dörfern geblieben, die nach alter Tradition die Berge bewirtschaften. Wir erklimmen den Col de Pas (2600 m) – ein Spitzensingletrail quert und führt uns hinab nach Frankreich in die wilden Gipfel des Queyras. Diese Bergregion, die erst sehr spät mit Straßen erschlossen wurde, hat ihre eigene Kultur entwickelt und erhalten. Bereits mittags haben wir das Chalet Viso, unser Nachtquartier erreicht. Zeit genug für die ganz Eifrigen, einen extra Pass mit Hammerfelstrail hinab in die unglaublich wilde Bergwelt des Queyras zu erkunden; die Müden haben viel verpasst.

70 km / 3100 hm

Wilde Gipfel des Queyras

8. Tag:


Schon früh erklimmen wir den Col de Formagi (Käsepass). Jetzt ziehen sich km-lang Singletrails an der Bergflanke entlang und unser Blick gleitet zurück zu den Felsspitzen und Nadeln der Dauphine. Das Biken fordert unsere ganze Aufmerksamkeit, auch hier sind die Trails oft ausgesetzt. Nach dem Mittag im Tal, Hermi hat für mich immer eine extra Portion Gemüse mit Vollkornbrot und Olivenöl, geht es noch mal richtig arg hoch auf den Gipfel Téte de Grardin. Mit 2900 m ein überwältigender Blick auf die schroff-wilden Cottischen- , Provencialischen- und die Seealpen in der Ferne. Schwummrig wird mir beim Blick auf das Dörfchen 1400 m unter uns. Dort ist unser Nachtquartier. Mit kühnen Traversen im fast senkrecht fallenden Fels und steilen Schlängelwegen gelingt auch das scheinbar unmögliche.

57 km / 2800 hm


Wir biken hier im „Niemandsland” und fast 2 Tage im Funkloch.

Téte de Grardin

9. Tag:


Bis Mittag fahren wir über den eher sanft geschwungenen Col Mirandol 2380 m, auf Almen mit abgelegenen Schäfereien die teils aus der Luft versorgt werden müssen und wo hoch am Himmel Adler kreisen. Ab dem Col Roverent 2520 m und der Überfahrt nach Italien ändert sich dieses Bild schlagartig. Wild, einsam, ruppige Singletrails (meist alte verfallene Militärwege), glasklare blaue Bergseen in denen sich kühne Gipfel spiegeln. Jetzt sind wir in Lukis „Bikeparadies” und der härteste Downhill steht uns bevor. Belohnt werden wir dafür mit piemontesischer Gastfreundschaft und Küche in Vollendung.

73 km / 2700 hm

Lukis „Bikeparadies”
Lukis „Bikeparadies”

10. Tag:


Im Morgengrauen fahren wir ein in den langen Aufstieg zum Seealpenhauptkamm. Zum letzten Mal überqueren wir auf dem Col Longene (2500 m) das Rückgrat der Alpen und lassen die östlich hereinziehende Schlechtwetterfront zum Glück ganz hinter uns. Es folgt eine nicht enden wollende Singletrailabfahrt von 2000 hm in mediteran geprägte Landschaft und Orte. Aber auch die Vegetation mit vielen fiesen Dornen für unsere Reifen. Heute haben wir hohe Verluste an Bikern wegen Kotzerei und Nico hat bei einem Sturz sein Bike geschrottet. Hermis Wohnmobil wird zum fahrenden Lazarett.

96 km / 3500 hm

Seealpenhauptkamm
mediterane Gegend

11. Tag:


Heute biken wir eine kurze Tour über verdorrte sanft geschwungene Almberge – felsig und Dornen gespickt; es riecht würzig nach Kräutern und Maccia. Ein romantisches Jurten-Camp (riecht stark nach Kamel) in einer Flussschleife der Var ist unser Ziel. Hier haben wir Zeit, die Fülle der Eindrücke etwas zu sortieren und Abschied zu nehmen.

50 km / 1300 hm

verdorrte Almberge
Jurten-Camp

12. Tag:


4:30 Uhr aufstehen, 5:30 Uhr Start mit der Stirnlampe unter prächtigem Sternenhimmel. Langsam werden die Bergkuppen sichtbar und wir tauchen da oben bald ein ins rote Morgenlicht. Am Wegesrand Dörfer, die wehrhaft wie Burgen auf Felskuppen erbaut sind. Der letzte Pass und aus 700 m Höhe stürzt sich unser ruppiger Felstrail mitten ins Getümmel der Hafenstadt Nizza und wir direkt in die erfrischenden Meeresfluten. Die meisten Bikerfreunde müssen gleich zum Zug, ich habe noch 2 Tage Zeit zum Ausruhen am Meer.

83 km / 2200 hm

Felskuppen-Döfer
Nizza

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